Ivy Quainoo, die Siegerin der Castingshow "The Voice Of Germany", bringt Bass und Gefühl nach Stuttgart. Doch leider ist die Halle eine Nummer zu groß. Andreas Babiak hat sich trotzdem hineingetraut und mal gecheckt, wie gut die Stimme Deutschlands wirklich ist.
Wenn ich sonst auf ein Konzert gehe, habe ich selten mit Vorurteilen zu kämpfen. Diesmal ist das anders. Ivy Quainoo hat die viel beachtete Castingshow "The Voice Of Germany" gewonnen. Machen wir kein großes Geheimnis daraus: Ich finde Castingshows scheiße! Und auch die Leute, die an solchen Sendeformaten teilnehmen. Kein Wunder, es gibt schließlich zahlreiche Beispiele für das Scheitern dieser "Superstars". Doch Ivy Quainoo scheint etwas anders zu sein – und das ist interessant.
Nein, die Liederhalle in Stuttgart ist nicht voll. Ich erinnere mich an das spannendste Konzert meines Lebens an der gleichen Stelle – damals wurde ich von den Massen zerdrückt. Heute kann ich locker durch die Zuschauer schlendern. Schade eigentlich, denn ich stelle mir das für den Künstler sehr demotivierend vor. Im Publikum sind viele Kinder, viele Mütter und Familien. Einige Teenie-Mädels halten sogar ein Ivy-Plakat hoch – süß, so was hatte ich bisher noch nicht gesehen.
Mic Donet beginnt den Abend. Er ist im Halbfinale der Sendung rausgeflogen und soweit ich mich erinnere, hatte er den wirklich tollen Song "Losing You", mit dem er aber an Xavier Naidoos Wunsch gescheitert ist, einen deutschen Song im Finale dabei zu haben. Seine Show ist gut. Er inszeniert sich und seine Stimme ziemlich clever, und nimmt auch ein Bad in der Menge. Nett, aber insgesamt nicht mehr.
Ivy beginnt ihren Auftritt mit zwei sehr guten Nummern: "Shark In The Water" und die Siegersingle "Do You Like What You See". Auch ich muss mich zu der guten Musik bewegen, sie kommt an. Sie spielt aber nicht nur ihr Album runter, sondern covert auch Songs, die für sie etwas bedeuten. Insgesamt gut gemacht, und auch die Setlist ist ganz passend, bis auf eine Nummer, bei der Ivy nicht wirklich motiviert wirkt. Und so ist "Break Away" nach dem Einstieg der einzige weitere Höhepunkt des Abends.
Die Show ist ganz ordentlich: viele Lichteffekte, große und unkonventionelle Band, tolle Soli und spannende Einlagen von den Musikern. Stimmlich überzeugt Ivy ganz klar. Ein wunderbares Organ, das sie zu benutzen weiß. Die Songs sind teils fetzig, funky oder basslastig, doch die Stimme sitzt jedes Mal perfekt. Der ruhige Part ist gefühlvoll; sie erreicht die Fans. Auch als am Schluss der Herr an den Percussions von ihr nach vorne gescheucht wird – es wirkt nicht abgesprochen – wird das Publikum mit einer spanischen Nummer gut unterhalten.
Aber immer schwebt die Castingshow über dem Konzert. Ich weiß nicht, wie oft der Name der Sendung fällt und wie oft sich die beiden Interpreten beim Publikum für ihre Stimmen bedanken. Und vor allem weiß ich nicht, was das soll? Klar, sie sind dankbar, dass für sie abgestimmt worden ist, aber was tut das denn jetzt noch zur Sache? Es gilt das Publikum zu überzeugen und sich nicht bei ihm einzuschleimen. Danke, Danke, ich bin so dankbar! Gern. Meine Stimme hatte keiner von beiden bekommen.
Am Schluss treten sonst immer noch The Boss Hoss mit Ivy auf, doch bei diesem Konzert nicht. Vielleicht gibt es ja tatsächlich Wichtigeres zu tun. Vermutlich wird schon der Nächste gecastet. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, sich von dem Fluch einer solchen Castingshow zu lösen und seinen eigenen Weg zu gehen. Kleinere Clubs, Nähe zu den Fans und weniger Dank für das Vergangene. Das schönste Dankeschön für einen wahren Fan ist doch, wenn das Konzertticket nicht ganz so überteuert ist. Beweisen lautet die Devise. Wenn wir an dem Punkt angelangt sind, kann ich mir vorstellen, Ivy zu mögen, denn singen kann sie wirklich. Und nett scheint sie auch zu sein. Danke! (ab)