Musik entsteht nicht nur im stillen Kämmerlein eines Künstlers, sondern wird auch von den Mechanismen der Musikindustrie geprägt. Musiklabels spielen dabei eine entscheidende Rolle, aber welche genau und inwiefern schreiben sie Rockgeschichte mit? Bettina Taylor wirft einen Blick auf die "Etiketten" hinter den Bands:
Der Ausdruck Label hat einen ganz pragmatischen Ursprung. Als die Plattenindustrie noch in ihren Kinderschuhen steckte, bezeichnete das Label das Plattenetikett, auf dem Musiktitel, Interpret und Komponist standen. Erst später wurde er zum Begriff für eine Marke, die neben dem Vertrieb der Musikrechte auch ein Genre oder eine Ideologie verkörpern konnte. Ideologien spielen vor allem eine Rolle, wenn es um die Unterscheidung zwischen Independent- und Majorlabels geht. Während der Begriff Indie in den 30er-Jahren noch ein Label bezeichnete, das kein eigenes Vertriebsnetz besaß, steht heute die Herangehensweise, mit der Musik vermarktet wird, im Vordergrund. Ein Indie-Label versteht sich als Marke, das Musik abseits des Mainstreams fördert und wirtschaftliche Interessen hinten anstellt. Indielabels zeichnet aber nicht nur Überzeugung, sondern auch Flexibilität aus. Durch ihre Nähe zu Underground-Szenen können sie Genrehypes aufgreifen und innovative Künstler unter Vertrag zu nehmen bevor es die Majors überhaupt mitbekommen.
Doch mit den Höhen und Tiefen der Musikindustrie hat sich auch die Indie-Haltung gewandelt. Während in den 70ern Indie-Labels eine lebendige DIY-Kultur pflegten, sind die Grenzen zu den Majors seit den 90ern fließender geworden. Den entscheidenden Schnitt in dieser Entwicklung machte Nirvana, die ihr Debut unter dem Indielabel Sub Pop veröffentlichten. Nach ihrem Durchbruch wechselten sie zum Major Geffen Records. Wie bei Profi-Fußballern locken Majors Musiker oft mit hohen Ablösesummen. Nach der Grunge-Bewegung kamen auch große Plattenfirmen auf den Riecher, dass mit Subkulturen Geld zu machen war. Sie kauften Indielabels in Finanznot auf und gründeten sogenannte Sublabels. 1994 wurde schließlich "Smash", das dritte Album der Punkrock-Band The Offspring, mit etwa 16 Millionen Verkäufen zum meistverkauften Indiealbum aller Zeiten. Seitdem schließen sich Indie und Kommerzialisierung nicht unbedingt aus.
Mittlerweile hat sich die Independent-Szene jedoch wieder von den Majors abgegrenzt. In den 2000ern eröffnete der Anbruch des digitalen Zeitalters neue Möglichkeiten, Musik zu vertreiben. Sogenannte Netlabels verkaufen ihre Werke ausschließlich über das Internet. Diese Entwicklung hat auch dazu geführt, dass das Oligopol der sogenannten "Big Three" immer schwächer wird. 2012 beherrschten die Universal Music Group, die Warner Music Group und Sony Music Entertainment als die größten Plattenfirmen einen Marktanteil von etwa 60 Prozent der weltweiten Tonträgerindustrie. 2007 waren es noch etwa 70 Prozent. Der Markt für Indielabels steht heute recht gut, weil sie durch das Internet Musik am Puls ihrer treuen Fangemeinschaft vertreiben. Einige Indielabels haben auch regelrecht Rockgeschichte geschrieben - hier die wichtigsten im Kurzprofil:
Sub Pop
Gegründet: 1986, Seattle
bekannteste Bands: Mudhoney, Nirvana , Sunny Day Real Estate, The Shins
Das Label, das der Welt den Grunge bescherte, startete 1979 als Punkrock-Fanzine. Gründer Bruce Pavitt verbrachte die 80er-Jahre damit, die US-Underground-Musikszene in Kassetten chronologisch zu archivieren. 1987 machte er schließlich Ernst und gründete Sub Pop. Wenig später folgte Soundgardens Debüt "Screaming Life" als erste namhafte Veröffentlichung. Allmählich begannen sich die ersten Wurzeln der Grunge-Bewegung um Bands wie Mudhoney, Tad, Blood Circus und nicht zuletzt auch Nirvana zu formen. Ihr Debüt" Bleach" bescherte Sub Pop den internationalen Durchbruch. Lange blieb man jedoch nicht am Genre kleben. Bald wechselte Nirvana zum Major Label Geffen Records. Heute hat Sub Pop durch Bands wie The Shins, Band of Horses oder Iron And Wine wieder an Relevanz in der internationalen Musikszene gewonnen. Auch wenn dem Label immer der Schatten des Grunge anhaften wird, profiliert es sich heute durch Künstler mit Ecken und Kanten.
Rough Trade Records
Gegründet: 1978, London
bekannteste Bands: The Smiths, The Strokes, Scritti Politti, The Babyshambles
Während Sup Pop aus einem Fanzine entsprang, machte Rough Trade Records 1976 seine ersten Schritte als Plattenladen. Zwei Jahre später gründete Geoff Travis das Label und machte sein Unternehmen in aller DIY-Manier zu einer Schlüsselfigur der Punk-Ära. 1983 landete das Label schließlich mit The Smiths ihren Kracher. Nach dem Hoch kam 1991 jedoch der Fall: Rough Trade Records ging Pleite, nachdem der Tonträger-Vertrieb Cartel, der zum Label gehörte, Konkurs anmeldete. 2000 stieg Rough Trade Records aber wie Phönix aus der Asche. Travis kaufte sich die Markenrechte zurück und ließ mit The Strokes wieder von sich hören. Wenig später folgten Acts, die die internationale Alternative-Szene von heute prägen, darunter Arcade Fire, The Decemberists und British Sea Power. Auf YouTube kann man sehen, wie Jeffrey Lewis die Geschichte von Rough Trade Records in einen Zwei-Minuten-Song verpackt:
Staatsakt
Gegründet: 2003, Berlin
Bekannteste Bands: Die Türen, Ja, Panik, Die Sterne, Bonaparte
Zu guter Letzt sollte auch ein deutsches Label nicht fehlen! Eigentlich wollten Maurice Summen und Gunther Osburg mit der Labelgründung nur die Musik ihrer eigenen Band Die Türen herausbringen, doch die vielen Acts der sogenannten Hamburger Schule http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Schule_%28Popmusik%29 erweiterten das Projekt. Seitdem Osburg 2009 das Label verlassen hat, führt Summen es in Eigenregie. Heute zählt es zu einer der unabhängigsten in Deutschland. Neben den Hausbands Die Türen und Bonaparte gehören auch Ja, Panik, Chuckamuck oder Driver & Driver zur Labelfamilie.
Ein Kurz-Video auf der Webseite des Bundesverband Musikindustrie erklärt, wie das Musikbusiness funktioniert. (bt)